DER HISTORISCHE ZYKLUS DER POLITISCHEN HERRSCHAFT DER BOURGEOISIE
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Der historische Zyklus der politischen Herrschaft der Bourgeoisie
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Zeitlich parallel zur Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise muss man die Entwicklung der politischen Machtformen der bürgerlichen Klasse betrachten.
Wie Engels sagte, gibt es, dank Marx, zwei grosse Entdeckungen, die dem wissenschaftlichen Kommunismus zugrundeliegen. Die erste besteht in der Entdeckung des Mehrwertgesetzes, demgemäss sich die Akkumulation des Kapitals auf der ständigen Auspressung eines Teiles der proletarischen Arbeitskraft basiert. Die zweite besteht in der Theorie des historischen Materialismus, wonach die jeweiligen ökonomischen und produktiven Bedingungen die Ursache und die Erklärung der politischen Ereignisse und des gesamten Überbaus von Meinungen und Ideologien liefern, welchen den verschiedenen Epochen und Gesellschaftstypen eigen sind.
Die Gründer der neuen theoretischen Methode erscheinen also nicht in der messianischen Tracht der reinen Ideologen, die neue Grundsätze offenbaren, um die Massen zu erleuchten und hinzureissen. Sie sind im Gegenteil wissenschaftliche Erforscher der von der vorhergehenden Geschichte gelieferten Tatsachen und der wirklichen Struktur der gegenwärtigen Gesellschaft, die sich bei dieser Untersuchung von allen obskurantistischen Einflüssen der Vorurteile der Vergangenheit zu befreien anstrengen, und ein System wissenschaftlicher Gesetze zu gründen versuchen, das fähig ist, die historische Entwicklung richtig darzulegen und zu erklären, und die grossen Linien der künftigen Entwicklungen - im wissenschaftlichen und nicht im mystischen Sinn des Wortes - vorauszusehen.
Während sich die Bourgeoisie in einem jahrhundertelangen Kampf auf dem Gebiet der Organisation der Produktion und der Ökonomie durchsetzte und dafür sorgte, den feudalen und theokratischen Klassen ihre Machtstellungen in der Staatsregierung zu entreissen, hat sich dieser gewaltige Interessenzusammenstoss, der sich in einem offenen Konflikt bewaffneter Mächte bis zum revolutionären Endgefecht entwickelte und schliesslich zur bürgerlichen Macht führte, auch in einem Ideen- und Theorienkampf widergespiegelt.
Die alten herrschenden Klassen errichteten ihren theoretischen Überbau auf den Grundsätzen der Offenbarung und der Autorität, da sich auf solchen Grundsätzen wohl ein Recht und eine soziale Ordnung errichten liessen, die die Kontrolle der beherrschten Masse seitens einer Oligarchie von Kriegsherren, Adligen und Priestern erleichterten. Die Quelle der Wahrheit befand sich in alten, unabänderlichen Tafeln, von übermenschlichen Köpfen und Mächten diktiert, die als Norm des gemeinschaftlichen Lebens galten, und, näher besehen, in alten Schriften von Weisen und Meistern, zu denen man zurückgreifen musste, um dem Wortlaut der Verse und Abschnitte die Erklärung aller neuen Fragen des menschlichen Wissens und Handelns zu entnehmen.
Die entstehende revolutionäre Bourgeoisie hatte als Waffe die vom modernen philosophischen Denken entwickelte Kritik des Autoritätsprinzips. Kühn streute sie in allen Richtungen Zweifel über alle überlieferten Vorstellungen, erklärte gegen die Herrschaft der Autorität die Herrschaft der menschlichen Vernunft, untergrub das religiöse Dogma, um besser den feudalen Staatsapparat untergraben zu können, der auf der Monarchie nach göttlichem Recht und der Klassensolidarität zwischen Grund- und Kirchenaristokratie wurzelte.
Sie hat somit ein neues und modernes ideologisches Gerüst konstruiert, das sie als universal und endgültig, als Sieg der Wahrheit über die Lüge des religiösen und absolutistischen Obskurantismus ausgeben will. In der Tat ist im Lichte der marxistischen Kritik ein solches neues ideologisches Gerüst nichts mehr als ein Überbau, der den neuen Klassenverhältnissen und den neuen Bedürfnissen der an die Macht gekommenen Klasse entspricht.
Auf politischem Gebiet führt die Bourgeoisie den revolutionären Ansturm auf die Staatsmacht, derer sie sich dann bedient, um alle alten Bindungen der Entwicklung der ökonomischen Kräfte zu zerschlagen, deren Ausdruck sie war.
Der Kampf entwickelt sich als ein Bürgerkrieg, ein Klassenkrieg, zwischen den Weissen Garden des alten feudalen Regimes und der revolutionären bürgerlichen Phalanx (1).
In der klassischen Perspektive der französischen Revolution hat der dritte Stand anfangs seinen Teil an der öffentlichen Ordnung gefordert, die bis dahin Monopol der Aristokratie und des Klerus war, um sich sehr bald vorzunehmen, diese rückschrittlichen Klassen von allem politischen Einfluss radikal auszuschliessen.
Eine neue herrschende Minderheit der Manufaktur und Fabrikbesitzer und der grossen Kaufleute setzte sich an die Stelle der alten privilegierten Minderheiten. In Wirklichkeit aber wurde dieser wesentliche Aspekt des Übergangs nicht offen von den Denkern und politischen Parteien des neuen Regimes gestanden, weil sie ihn selber auch nicht verstanden hatten, obwohl sie im Sinne des unausweichlichen Druckes der neuen mächtigen Klasseninteressen handelten.
Wie die ganze Bewegung im materiellen Kampf die Kräfte der Bevölkerungsmassen von Besitzlosen und Arbeitern, des vierten Standes, benutzte, so rühmte sie sich auch in den ideologischen Entwürfen von Prinzipien auszugehen, die den allgemeinen Interessen entsprachen. Noch einmal wurden die Prinzipien nicht als vorübergehende Formen dargestellt und ausgelegt, die eine besondere Wende der sozialen Verhältnisse überlagern, sondern als absolute und universale Werte, die das Werden der Menschheit regeln. Der Aberglaube der alten Mythologien wurde ausgelacht, aber, im Namen der wissenschaftlichen Zweifel, der freien Kritik und der Vernunft wurde eine neue Mythologie von allgemeinen Begriffen und Werten ausgerufen, und die revolutionären Erklärungen der siegenden Bourgeois sprachen von Menschen- und Bürgerrechten, erklärten das Aufkommen der Freiheit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit als Erbgut aller Menschen.
In diesem historischen Wendepunkt konnte der vierte Stand, die grosse Masse der Arbeiter, die den alten und neuen Formen des Wohlstands der privilegierten Schichten geopfert wurden, in der Tat weder die kritischen Waffen besitzen, um die wirkliche Bedeutung des Übergangs zu verstehen, noch zaudern, die revolutionäre Bourgeoisie in ihrer stürmischen und heroischen Phase gegen die Stellungen der Vergangenheit zu helfen.
In dieser Phase sieht die bürgerliche Politik keinen Widerspruch zwischen ihren philosophischen Forderungen nach Meinungsfreiheit und politischer Freiheit für alle und dem Kampf mit allen Mitteln der Diktatur und des Terrors gegen die bewaffnete Rückkehr der Kräfte des alten Regimes im Bürgerkrieg und in den Angriffen von jenseits der Grenze. Der Bourgeois als Sansculotte, Atheist und Enzyklopedist sieht keinen Widerspruch zwischen dem Kreuzzug für die neue Göttin Freiheit und der systematischen Anwendung des Fallbeils, um seinem Klassenfeind die Handlungsfreiheit zu nehmen, seine alten Privilegien zu verteidigen. Das entstehende Proletariat glaubt an das Versprechen der Freiheit für alle, hilft aber der zur Macht gelangten Bourgeoisie in der erbarmungslosen Unterdrückung der Gegenrevolutionäre.
Die erste Phase der politischen Herrschaft der Bourgeoisie besteht also im bewaffneten revolutionären Kampf, um die Macht zu erobern, und in der Ausübung einer Klassendiktatur, um alle Überbleibsel der alten Gesellschaftsordnung auszurotten, und jeden Versuch eines reaktionären Gegenangriffs zu unterdrücken.
Dieser ersten Phase des bürgerlichen politischen Regimes folgt - in der Komplexität ihrer Aspekte bezüglich der verschiedenen modernen Länder, und in den wechselhaften Folgen von Vorstössen der absolutistischen Reaktion und neuen revolutionären Wellen, die letztlich obsiegen - im Allgemeinen in der modernen Welt und in den wirtschaftlich entwickelteren Ländern ein zweites und langes Stadium, wo die Gräuel und Exzesse der Revolution ins Dunkel verbannt werden, und der neuen herrschenden Klasse, fest an den politischen Schalthebeln der Gesellschaft sitzend, gelingt es in bester Weise, die angebliche Kohärenz ihrer Verwaltung der Welt mit allem metaphysischem Rüstzeug ihrer Freiheits- Gerechtigkeits- und Gleichheitsideologien zur Schau zu stellen.
Rein rechtlich gesehen gibt es keine getrennten Stände mehr; jeder Bürger steht theoretisch im selben Verhältnis zum Staat wie alle anderen und hat die selbe Befugnis, in die Staatsorgane die Vertreter abzuordnen, die er am meisten bevorzugt, und die seine Meinungen oder auch seine Interessen zum Ausdruck bringen.
Das parlamentarische System der bürgerlichen Demokratie hat ihr goldenes Zeitalter und erklärt, dass nach der grundlegenden Verkündung der juristischen und politischen Gleichheit der Weg - ohne weitere revolutionäre Zusammenstösse und ohne Wiederholung der Tragödien des Terrors - für jede Entwicklung zu einem immer besseren Zusammenleben der Menschen in besseren gesellschaftlichen Verhältnissen offen ist.
Die revolutionäre proletarische Kritik hat bereits seit einigen Generationen diese enorme Lüge radikal entlarvt. In der wirklichen ökonomischen Bewertung der Verhältnisse, bedeutet die juristische und politische Freiheit die Freiheit, die eigenen Hände und die eigene Arbeit zu verkaufen, was in der Tat für die Mehrheit der Menschen harte Notwendigkeit ist, die keine andere Alternative als den Hunger kennt.
Politisch gesehen, ist der Staat kein Ausdruck des Willens der Volksmehrheit, sondern das Interessenskomitee der herrschenden bürgerlichen Klasse, und der parlamentarische Mechanismus kann nur zugunsten ihrer Interessen wirken.
Philosophisch gesehen ist die Herrschaft der Vernunft nur eine Täuschung, denn der freie Gebrauch des menschlichen Gehirns - soweit wie es scheint von den Verboten des Kirchenbannes und der Aufsicht der absolutistischen Polizei erlöst - ist nichts als eine Illusion, da er vielmehr erbarmungslos von der versagten Möglichkeit und Freiheit der materiellen physiologischen Bedürfnisbefriedigung, die die ganze Entwicklung des Individuums bestimmen, eingeschränkt wird.
Nach den romantischen Vorstellungen der bürgerlichen Literatur dieser idyllischen Periode, gab es in jedem Dorf ein Löschhütchen - der Pfarrer - und eine Leuchte - der Lehrer. Aber die Lüge dieses demokratischen Erziehungs- und Kulturfetischismus besteht darin, dass man vom Menschen nicht erwarten kann, dass er sich zuerst eine freie und bewusste Meinung bilde, und nachher die Möglichkeit erhalte, seine Interessen und Verlangen zu befriedigen. Umgekehrt verläuft der wissenschaftlich logische Weg, denn vorher muss der Mensch gut essen, um dann gut urteilen zu können.
Ausser der theoretischen Kritik der revolutionären Proletarier, bringen auch die Tatsachen der allerneuesten Geschichte mit sich, dass diese heuchlerischen Vorstellungen der demokratischen Ideologie sich immer mehr in die Vorhölle der Schatten der Vergangenheit verflüchtigen. Während die Zusammenstösse zwischen den durch entgegengesetzte Interessen getrennten Klassen des gleichen Landes, trotz der Allheilmittel des bürgerlichen Repräsentationssystems, nie aufgehört haben, haben die Entwicklung der neuen monopolistischen Wirtschaftsformen des Kapitalismus und der Kampf um die koloniale Vorherrschaft die Völker in umwälzende Krisen und blutige Gemetzel gestürzt, die jene der Epoche des revolutionären Vordringens der Bourgeoisie bei weitem übertreffen.
Nicht nur hatte der Kapitalismus ein logisches Bedürfnis nach bewaffneter Gewalt, um die Wege seines geschichtlichen Werdens zu eröffnen, sondern er gebraucht und erzeugt Gewalt in jeder Phase seiner Entwicklung.
Da Hand in Hand mit dem Wachstum des Potentials der Industrieproduktion die Arbeitsarmeen an Zahl gewannen, das kritische Bewusstsein des Proletariats genauer und seine Organisationen kräftiger wurden, hat die herrschende bürgerliche Klasse, parallel zur Wandlung ihrer ökonomischen Praxis vom Liberalismus zum Interventionismus, das Bedürfnis, ihre Methode der scheinbaren Toleranz gegenüber den politischen Ideen und Organisationen zugunsten einer autoritären und totalitären Regierungsmethode aufzugeben. Darin liegt die allgemeine Bedeutung der gegenwärtigen Epoche. Die neue Richtung der bürgerlichen Verwaltung der Welt gründet sich auf die unleugbare Tatsache, dass sich alle menschliche Tätigkeit, eben wegen der Auswirkungen der Fortschritte in der Wissenschaft und Technik, von der Selbständigkeit der vereinzelten Unternehmungen, die weniger modernen und weniger komplexen Gesellschaften entspricht, zur Errichtung von immer dichteren Netzen von Beziehungen und Abhängigkeiten entwickelt, auf allen Gebieten, welche allmählich die ganze Welt umfassen.
Von der Kühnheit der ersten Seefahrer bis zu den verwegenen und grausamen Unternehmungen der Kolonisatoren der entferntesten Ecken der Welt, hat die Privatinitiative ihre Wunder und ihre Spitzenleistungen vollbracht. Nun aber weicht sie zurück vor dem Vorwiegen der Verflechtungen der koordinierten Handlungen in der Warenproduktion und Verteilung, in der Verwaltung der öffentlichen Dienste, in der wissenschaftlichen Forschung auf allen Gebieten.
Selbständige Initiativen sind undenkbar in der Gesellschaft, die über Luftverkehr, Rundfunk, Kino, Fernsehen verfügt, alles Erfindungen, die ausschliesslich gesellschaftlich anwendbar sind.
Auch deshalb entwickelt sich die Regierungspolitik der herrschenden Klasse, hier seit vielen Jahrzehnten und mit immer kräftigerem Rhythmus, zu Formen von strenger Kontrolle, von einheitlicher Führung, von zentralisierter hierarchischer Struktur.
Dieses Stadium und diese moderne politische Form, ein Überbau, der aus dem monopolistischen und imperialistischen ökonomischen Phänomen entsteht - was Lenin seit 1916 voraussah, indem er sagte, dass die politischen Formen der allerletzten kapitalistischen Phase nur Formen der Tyrannei und der Unterdrückung sein können - diese Phase, die allgemein in der modernen Welt jene des klassischen Liberalismus zu ersetzen neigt, ist nichts anderes als der Faschismus.
Es ist ein enormer wissenschaftlicher und politischer Fehler, diese Entstehung einer neuen, von den Zeiten aufgezwungenen politischen Form, die wegen der zersetzerischen Wirkung seiner inneren Gegensätze eine unvermeidbare Folge und Bedingung des Überlebens des kapitalistischen Unterdrückungssystems ist, mit der reaktionären Rückkehr der sozialen Kräfte der feudalen Klassen zu verwechseln, welche darauf aus wären, die bürgerlichen demokratischen Formen mit einer Restauration der Despotismen des »ancien regime« zu bedrohen, während im Gegenteil die Bourgeoisie im grössten Teil der Welt diese feudalen gesellschaftlichen Kräfte bereits seit Jahrhunderten ausser Kampf gesetzt und vernichtet hat.
Wer von einer solchen Auffassung auch nur im Geringsten berührt wird, und deren Beeinflussung oder Problemen folgt, steht ausserhalb der kommunistischen Politik und des Kommunismus.
Die neue Form, unter welcher der bürgerliche Kapitalismus die Welt verwalten wird, bis ihn die proletarische Revolution umstürzt, kommt nach und nach zur Erscheinung in einem Prozess, der mit den banalen und scholastischen Methoden der Philister nicht zu entziffern ist.
Von marxistischer Seite aus hat man den Einwand nie berücksichtigt, wonach das erste Beispiel einer proletarischen Macht von einem fortgeschrittenen industriellen Land und nicht vom zaristischen und feudalen Russland gegeben werden sollte, denn das Abwechseln der Klassenzyklen ist eine internationale Tatsache und ein Kräfteverhältnis im Weltmassstab, das sich lokal da äussert, wo günstige historische Bedingungen zusammenwirken (Krieg, Niederlage, all zu langes Überleben von hinfälligen Regimen, gute Organisation der revolutionären Partei usw.).
Noch weniger soll man staunen, wenn das Auftreten des Übergangs vom Liberalismus zum Faschismus bei den einzelnen Völkern dialektisch die verschiedensten Reihenfolgen annimmt, da es sich dabei um eine viel weniger radikale Umwandlung handelt, wo nicht die herrschende Klasse ersetzt, sondern nur die Form ihrer Herrschaft geändert wird.
Der Faschismus kann also vom wirtschaftlichen Standpunkt aus als ein Versuch des Kapitalismus zur Selbstkontrolle und Selbstbeschränkung definiert werden, der versucht vermittels zentralisierter Disziplin die alarmierendsten Auswüchse der ökonomischen Phänomene zu zügeln, die dazu führen, die Widersprüche des Systems unheilbar werden zu lassen.
Er kann gesellschaftlich definiert werden: als Versuch der mit der Philosophie und der Psychologie der absoluten Selbständigkeit und Individualismus entstandenen Bourgeoisie, sich ein kollektives Klassenbewusstsein zu schaffen, und den in der proletarischen Klasse drohend gebildeten Klassenkräften ihre eigenen politischen und militärischen Körperschaften und Gruppierungen entgegenzusetzen.
Politisch bildet der Faschismus das Stadium, in dem die herrschende Klasse die Formeln der liberalen Toleranz als unbrauchbar aufkündigt, die Methode der Einparteienregierung proklamiert, und die alten, beim Gebrauch der Methoden des demokratischen Betrugs viel zu eingewurzelt gewordenen Hierarchien der Kapitallakaien vernichtet.
Ideologisch, schliesslich, verzichtet der Faschismus nicht auf die Fassade der Mythologie der universalen Werte - und kann auch nicht darauf verzichten - und, obwohl er sie dialektisch umgedreht hat, eignet er sich die liberalen Forderungen der Klassenzusammenarbeit an, spricht von Nation und nicht von Klasse, verkündet die juristische Gleichheit der Individuen, gibt seine Staatsordnung für gestützt auf die gesamte soziale Gemeinschaft aus, und zeigt somit, dass er nicht nur keine Revolution sondern auch nicht einmal ein sicheres universales historisches Hilfsmittel der bürgerlichen Konterrevolution ist.
Die Stützpunkte der neuen bürgerlichen Mythologie werden nicht mehr die Freiheit, die Gleichheit sein, sondern die Nation, das Vaterland, die Rasse, der halbvergötterten Staat selbst.
Jede theoretische und philosophische Verlegenheit schöpft aus den gleichen Quellen, mit denen auch der bürgerliche Philister der realistischen und wissenschaftlichen Demaskierung seines ideologischen Apparats zu entrinnen trachtete, die unvermeidlichen übermenschlichen Werte des Geistes, angesiedelt im menschlichen Kopf wenn man so will, oder ausströmend von einer den pharisäischen Mitteln aller Parasiten und aller Unterdrücker stets gefälligen Gottheit.
Wie dem auch sei: ökonomisch mit dem Monopolismus und Staatskapitalismus, sozial mit dem offenen Angriff der Weissen Garden gegen die Klassenorganisationen des revolutionären Proletariats, politisch mit der mehr oder weniger beschleunigten Beseitigung der clownhaften Meute der vielen Parteien und der bunten Publizisten des parlamentarischen Milieus, ideologisch mit der Anwendung des ganzen betrügerischen Schatzes von angeblich universalen Ideen und Bekleidung mit höchsten Missionen, wird der Kapitalismus überall diese Phase durchmachen, denn er hat die Alternative klar vor Augen: entweder zerstreut und verhindert er den Vormarsch der revolutionären Klasse, oder er muss in die schlussendliche Katastrophe stürzen.
Eine erste historische Erscheinung dieser dritten bürgerlichen Phase konnte in Italien zu Tage treten, gewiss nicht wegen besonderer Merkmale der Entwicklung des italienischen Kapitalismus, sondern durch das Zusammenlaufen von weltgeschichtlichen Verhältnissen, welche die italienische Lage beeinflussten: ein Sieg im Kriege, jedoch mit den gleichen Folgen einer Niederlage; Wirtschaftskrise, bedingt durch hohe Bevölkerungsdichte und Mangel an Absatzmärkte für die Waren und für die Arbeitskraft, Aufschwung der ausgebeuteten Klasse mit der Intention einer selbständigen und extremistischen Politik, relative historische Instabilität des Staatsapparates usw.
Ein Phänomen von ganz anderer Tragweite ist in Deutschland aufgetreten, wo der Kapitalismus, gestützt auf das mächtige Netz der vom verlorenen Krieg unangetastete Produktionsstruktur, eine steile Karriere zu machen versuchte, um die konkurrierenden Kapitalismen einzuholen, die ihn mit einem eisernen Ring umschlossen hatten, in welchem der Druck der widerstreitenden sozialen Kräfte grösste Schärfe erreichte; wo das von Lenin aufgezeigte historische Dilemma sich auf die unerbittlichste Weise gestellt hatte: Organisation der Weltwirtschaft von seiten des Kapital oder seitens der Arbeit - unbarmherzige Diktatur der Bourgeoisie oder Diktatur des Proletariats.
Sowie Lenin in der ökonomischen Diagnose feststellte, dass derjenige ein Reaktionär ist, der sich die falsche Hoffnung macht, dass der Monopol- und Staatskapitalismus wieder zum liberalen Kapitalismus der ersten klassischen Formen zurückkehren kann, so muss heute klar gesagt werden, dass auch derjenige gleichermassen ein Reaktionär ist, der die Illusion verfolgt, die liberalen politischen Methoden zu verstärken, als Gegenpol zur faschistischen Diktatur, mit welcher die bürgerlichen Kräfte, an einem bestimmten Punkt der Entwicklung, die selbständigen Klassenorganisationen des Proletariats mit Konfrontationstaktik zermalmen.
Die Doktrin der proletarischen Partei muss als ihren Angelpunkt die Verurteilung der These stellen, wonach gegenüber der faschistischen politischen Phase der bürgerlichen Herrschaft die Parole der Rückkehr zum demokratisch-parlamentarischen Regierungssystem ausgegeben werden sollte. Die revolutionäre Perspektive liegt im Gegenteil darin, dass die totalitäre bürgerliche Phase sehr schnell ihre Aufgaben zum Abschluss bringt und dem revolutionären Ausbruch der Arbeiterklasse unterliegt, welche, weit davon entfernt, über das hoffnungslose Ende der trügerischen bürgerlichen Freiheit Tränen zu vergiessen dazu übergeht, mit seiner Kraft die Eigentums- Unterdrückungs- und Ausbeutungsfreiheit zu vernichten: Sinnbild der bürgerlichen Welt seit ihrer ersten heroischen Geburt im Feuer der antifeudalen Revolution, über ihr Gedeihen in der pazifistischen Phase der liberalen Toleranz, bis zur vernichtenden Entscheidung in der letzten Verteidigungsschlacht der unternehmerischen Institutionen, Privilegien und der Ausbeutung.
Die gegenwärtige Krieg (2) wurde zwar von den Faschisten verloren, aber vom Faschismus gewonnen. Trotz breitester Anstimmung des Lobgesangs auf die Demokratie wird die kapitalistische Welt, die auch in dieser fürchterlichen Krise die Integrität und historische Kontinuität ihrer mächtigsten Staatseinheiten retten konnte, eine spätere imposante Anstrengung unternehmen, um die Kräfte die sie bedrohen zu beherrschen, und sie wird ein immer strengeres System errichten, zur Kontrolle über die ökonomischen Prozesse und zur Verhinderung der Selbständigkeit aller gesellschaftlichen und politischen Bewegungen, die die bestehende Ordnung zu stören drohen. Sowie die legitimistischen Sieger Napoleons die gesellschaftliche und juristische Struktur des neuen französischen Regimes übernehmen mussten, werden auch die Sieger über die Faschisten und Nazis, in einem mehr oder weniger kurzen und mehr oder weniger klaren Prozess, durch ihre eigenen Taten die Notwendigkeit anerkennen, obgleich sie sie mit leeren ideologischen Erklärungen zurückweisen, die vom zweiten imperialistischen Krieg äusserst erschütterte Welt mit den autoritären und totalitären Methoden zu regieren, deren erstes Experiment in den besiegten Staaten unternommen wurde.
Die grundlegende Richtigkeit des hier gesagten, mehr als dass es sich um das Ergebnis schwieriger und scheinbar paradoxer kritischer Analysen handelt, beweist sich täglich in den Organisationsanstrengungen um die ökonomische, gesellschaftliche und politische Kontrolle der Welt.
Die Bourgeoisie, früher individualistisch, national, freihändlerisch, isolationistisch, hält jetzt ihre Weltkongresse. Und so wie die Heilige Allianz mit einer Internationale des Absolutismus die bürgerliche Revolution anzuhalten versuchte, versucht heute die kapitalistische Welt ihre Internationale zu gründen, die ja nur zentralistisch und totalitär sein kann.
Wird diese Internationale ihre wesentliche historische Aufgabe erfüllen können, die, unter dem Vorwand der Unterdrückung einer Wiedergeburt des Faschismus, in der Tat und immer offensichtlicher darin besteht, die revolutionäre Macht der proletarischen Internationale zu unterdrücken und zu zerschlagen?
Notes:
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Diese Übersetzung wurde im November 1999 vollständig neu überarbeitet. [sinistra.net]
Source: »Texte der Internationalen Kommunistischen Partei«, N.3, s.45-56
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